Historischer Krimi


 

Autor:             Richard Rötzer

Titel:                Der Wachsmann

Verlag:            Ullstein Taschenbuchverlag

VÖ:                   2000

Umfang:          599 Seiten

Preis:               DM 12,00 (Taschenbuch)

 

Als großer Freund von historischen Romanen und mittelalterlichen Geschichten stieß ich kürzlich in einer Buchhandlung auf diesen Schmöker des mir bis dato unbekannten deutschen Autors Richard Rötzer, und nach kurzem Überfliegen der Inhaltsangabe nahm ich das Teil kurzerhand mit. Vor allem der abgedruckte Vergleich mit Ecos "Der Name der Rose" machte mich neugierig, denn dass dieser (mit Sean Connery in der Hauptrolle verfilmte) Beststeller zu den besseren Historienwälzern gehört, ist hinlänglich bekannt. Und so weit hergeholt ist die Verbindung auch nicht, denn "Der Wachsmann" bezieht seinen Reiz ebenfalls aus seiner Mischung aus Kriminalgeschichte und der Darstellung mittelalterlicher Gepflogenheiten. Doch kurz zur Story:

Im München des 14. Jahrhunderts geschehen mehrere, z. T. recht grausame Morde, die alle in Verbindung zueinander stehen: bei jeder Leiche wird ein Vers aus einem Psalm gefunden. Die überaus abergläubische Bevölkerung glaubt bald an Hexerei und Schadenzauber - vor allem, als bei einer Leiche auch noch eine mit Nägeln durchbohrte Wachsfigur gefunden wird - und macht u. a. die Münchner Juden für die Taten verantwortlich. Der aufgeweckte Flößer Peter Barth und sein Freund Paul glauben indes nicht daran und beginnen damit, im Umfeld der Morde zu recherchieren. Der städtische Richter Konrad Diener willigt nach anfänglichem Zögern ein und arbeitet schließlich mit den beiden zusammen, um den oder die Mörder möglichst bald dingfest zu machen. Verdächtige gibt es dabei einige, zum Beispiel die beiden Kaufmannsbrüder Heinrich und Ludwig Pütrich, der Handels- und Fuhrunternehmer Rabenecker oder der durchgeknallte Endzeit-Prediger Gottschalk. Weitere Ereignisse wie die Entführung eines Jungen oder ein Überfall auf Peter verschlimmern die Situation noch, zumal Peter die Psalme inzwischen auch als verschlüsselter Hinweis auf einen Mord an König Ludwig deutet. Mit akribischer Sorgfalt recherchiert und kombiniert er, befragt Zeugen, stattet Gelehrten Besuche ab und kommt nach und nach der Lösung immer näher...

Hört sich doch ganz gut an, oder? Die Geschichte an sich ist spannend geschrieben und mit vielen Einfällen gespickt, so dass "Der Wachsmann" trotz seinen 600 Seiten nicht langweilig wird. Richard Rötzer hat es daneben auch geschafft, einen Einblick in das engstirnige Weltbild der damaligen Bevölkerung zu verschaffen: die panische Angst vor Zauberei, die Aussichtslosigkeit, gegen Vorurteile anzukämpfen (z. B. den Juden gegenüber), die sozialen Unterschiede zwischen den einzelnen Bevölkerungsschichten, die aufstachelnde Wirkung der Stammtischproleten (die sich allerdings kaum von den heutigen unterscheiden dürften) usw. Wer sich also für einen spannenden Mittelalter-Krimi mit leicht okkultem Touch begeistern kann, der kann sich dieses recht günstige Werk bedenkenlos zulegen. 

Joe


 

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